Grim
Mein lieber, (eigentlich nie) alter Schnauzl,

mich von dir zu verabschieden fiel mir sehr, sehr schwer. Auch wenn ich zugeben muss, es war eine Art Erleichterung.

Für mich warst du immer der kleine nervtötende Dummkopf, der mich vergöttert hat. Zappelig, nervös, hibbelig, unruhig.. ein Sensibelchen und zugleich ein Sturkopf. Herzensgut dem Menschen gegenüber, egal, ob klein oder groß. Dafür der Rüpler, Stänkerer und Streithahn, wenn es um fremde Hunde, vorzüglich Rüden ging.

Ich kann mich noch daran erinnern, als ich dich abholte: gerade mal acht Wochen, eine Handvoll Hund, die ich auf einem Unterarm tragen konnte. Als ich wir von deinem ersten Zuhause raus kamen und ich dich auf den Rasen setzte, bliebst du erst einmal verblüfft und irritiert sitzen, denn du warst noch nie draußen gewesen. Die ersten „Spaziergänge“ verliefen auch dementsprechend; du setztest dich erst einmal hin und schautest dir alles an, bevor wir die ersten Meter zurücklegen konnten. Aber du hattest ja Happy als Vorbild und zudem deinen Bruder in der direkten Nachbarschaft, so war der Anfang gar nicht schwer.

In der Welpenspielstunde hast du dann allen anderen gezeigt, wer der „Größte“ ist. War das peinlich, mein kleiner süßer Grimmi, der alle anderen umwarf, sich über sie stellte und schütteln wollte… So war irgendwie schnell klar, dass du sicherheitshalber schnell entmannt werden würdest. Mit sechs Monaten war es dann soweit. Auch daran erinner ich mich gut: Während der OP wollten sie einfach nicht „rausflutschen“ und der Tierarzt musste ganz schön Kraft aufbringen. Du hast dann meine ausgemusterte dunkelgrüne Leggins angezogen bekommen. Mit einem Loch für deinen Schwanz. Denn du wolltest ja immer an deine OP-Wunde. Aber die Hose hat dir bestens gestanden.

Weil du leider schlechte Erfahrungen mit einem Staffordshire Rüden gemacht hast und auch daheim die Rangordnung eine Zeit lang überhaupt nicht stimmig war, hab ich dich anderen Rüden gegenüber nie mehr so richtig einschätzen können. Mal ging alles gut, mal fingst du wieder an zu stänkern.

Dein „Rangordnungsproblem“ daheim hat auch dazu geführt, dass Sofa und Sessel für euch Hunde tabu wurden; auch mit deinem Hintern durftest du dich nicht mehr heimlich auf die Sofakante setzen, denn selbst das hast du als Privileg angesehen und dich auf das arme Fränzchen gestürzt, das gerade unschuldig vorbei kam.

Eigentlich hast du mich dein ganzes Leben lang immer starkt gefordert. Es war eine ständige Gratwanderung zwischen Konsequenz und Einfühlungsvermögen, denn „zu konsequent“, zu „streng“ konnte dein Seelchen auch nicht vertragen.
Als ich beim Seminar bei Günther Bloch von dir erzählte, „ein Weimaraner-Dobermann-Mischling“, waren seine Worte: „Oha, eine brisante Mischung!“ Recht hat er gehabt. Ich hab durch dich sehr viel über Hunde und ihr Wesen gelernt, dass nicht jeder Hund so ein einfacher, gelehriger Traumhund ist wie die Happy. Oft hab ich auch im Scherze gesagt, die Happy ist mein Traumhund und der Grim ist mein Albtraumhund. Darin lag aber auch immer ein Funken Wahrheit. Nichtsdestotrotz war ich auch immer sehr stolz auf dich, weil du so lieb und trottelig, so kindlich naiv warst. Mein großer Brauner, der immer alle Augen auf sich zog und den alle bestaunt haben und toll fanden. Komischerweise wollte dich nie einer auch nur ein paar Stunden in Pflege nehmen oder mal ein paar Tage, damit ich mal „Urlaub“ machen kann. Deswegen kann ich eigentlich sagen, wir waren dein Leben lang immer zusammen. Und das ist auch ein Grund, warum du mir noch immer irgendwie fehlst.

Sicher ist vieles einfacher geworden. Es geht ja schon damit los, dass mir das nervöse Fiepsen und das hastige Wassersaufgeräusch, das Getappel hinter mir, wenn ich durch die Wohnung gehe, fehlt. Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie lange es gedauert hat bis du stubenrein warst. Die ersten Wochen bin ich bis spät nachts mit dir noch mal rausgegangen, damit du mich zwischen vier und fünf Uhr morgens aus dem Bett geworfen hast – und dann war es auch schon zu spät. Ich hab im Jogginganzug geschlafen, damit ich dich gleich nach dem Wachwerden schnappen und rausschleppen konnte. Und nach fünf oder sechs Wochen hab ich aufgegeben, weil ich so fertig mit der Welt war. Ich hab dich einfach mit ins Bett genommen – und siehe da, du hast locker bis acht oder neun Uhr geschlafen. Und ich konnte sogar erst mal in Ruhe aufstehen und mich anziehen, bevor auch du aufgestanden bist und raus wolltest. Trotzdem konnte ich erst als du neun Monate alt warst sagen, du bist jetzt stubenrein.

Und geklaut hast du hinter meinem Rücken wie ein Rabe. Von Schokolade bis hin zu Katzenkloinhalt. Was hab ich so manches Mal geflucht.. .. und gelacht: Als wir Max besucht haben und dich und Happy mal kurz allein ließen, da bist du aufs Sofa gesprungen und hast ganz oben aus dem Regal den Teller mit den Schoko-Ostereiern geholt und ihr habt ihn dann vernichtet. Bücher hast du auch angekaut oder Fernbedienungen, aber das nur die ersten Jahre – GottseiDank.

Bis auf diverse Bissverletzungen warst du eigentlich nie krank. Vermutlich war es genau deswegen, warum ich sofort in Alarmbereitschaft war, als ich die Beule an deiner Schnauze entdeckt habe. Irgendwie war mir klar, dass diese kleine Beule etwas ganz Schlimmes sein musste und dass dies dein Schicksal, dein Todesurteil sein würde. Leider habe ich recht behalten.

Egal, wie sehr du meine Nerven strapaziert hast, egal, wieviel Zeit du mich gekostet hast, egal, wie oft ich über dich geschimpft hab.. für mich warst du immer.. IMMER.. mein „Baby“. Vielleicht gerade, weil du so ein Sorgenhund warst und ich mich verpflichtet gefühlt hab, dich heil durch dein Leben zu lenken.

Gäbe es eine Möglichkeit dich wiederzubekommen, ich stände in der ersten Reihe und würde laut „HIER!“ schreien.